1W12 interessante Bettler:innen in der Stadt
Idee: pan narrans
Autoren: N.Hotep, nEw bEE, NedrOk, McBlavak, Tindome10, Momosynx, pan narrans, Kreggen (Michael), Bruder Jankins, smn1337
1. Der Puppenspieler
In den Seitengassen weit abseits vom Markt, wo die meisten Bettler ihr Glück versuchen, trifft man bisweilen einen besonders merkwürdigen Vertreter dieser Zunft. In Lumpen gekleidet, die einmal eine farbenfrohe Schaustellerkluft gewesen sein mochten, sitzt er stumm und teilnahmslos herum, seine schlaffe rechte Hand steckt stets in einer alten, zerfetzten Kasperlehandpuppe mit garstig-frohem Grinsen. Ist der Bettler wach, blicken seine lethargischen Augen in endlose Ferne, ohne die nähere Umgebung zu registrieren. Manchmal jedoch hockt er mit auf die Brust gesunkenem Kopf an der Hauswand, während die Puppe auf seiner Rechten lebhaft nach links und rechts aufnerksam die Gasse zu beobachten scheint. Spricht man den Bettler an, antwortet die Puppe mit schriller Stimme und weiß manch merkwürdige Dinge zu erzählen, ohne dass sich die Lippen des Bettlers bewegen…
2. Der Prediger
Er predigt von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang am Marktplatz, und verteufelt alles Kantige und Mechanische. Rein und göttlich, ist allein der Kreis. Denn in Ecken und Kanten, lebt das Böse. Halten wir den Fortschritt nicht auf, werden bald überall an Wänden und in den Taschen der Völker, Rechtecke des Bösen sein. Aus welchen die Teufel und Dämonen die Sinne vernebeln, und vom Tagwerk ablenken.
3. Der Betrogene
Vor Jahren kam er in der Stadt an, als Überlebender eines Schiffsunglücks. In zerschlissenen Kleidern kauert er am Boden, die Zeit hat ihre Spuren an seinem ausgemergelten Körper hinterlassen. Er wippt hin und her, schluchzt wild, ab und zu tobt er laut, voller Wut und mit letzter Kraft. Dabei murmelt er immer und immer wieder dieselben Fetzen: „..mein Leben wurde mir gestohlen..“, „..werde mich an ihnen rächen..“, „..der Schatz wird mir helfen..“, „..meine geliebte Mercédès..“, „..Danglars, Caderousse, Fernand ihr werdet büßen..“.
4. Die Flötenspielerin
Gebückte Gestalt in verfärbter Spielmannskluft. Sobald ein Passant ihren Weg kreuzt beginnt sie, gut gelaunt, eine schreckliche Melodie zu spielen. Eingeweihte werfen ihr dann etwas Geld zu damit sie aufhört. Sollte man ihr jedoch keine Almosen geben wird man nach und nach von allerlei Ungeziefer umschwärmt und gepiesackt. Die Kreaturen hören erst auf, wenn man einem Bettler ein Almosen gegeben hat.
5. Der Kriegsveteran
Eine in alter verschlissener Uniform sitzende Gestalt, mit nur einem Bein und einer Krücke an der Wand hinter ihm lehnend, bittet um Almosen für einen Helden des letzten Krieges. In Wahrheit ist er nur ein Pirat auf der Flucht vor dem Gesetz. Bis jetzt ging alles gut, aber gestern Abend kamen ein paar betrunkene aus der Taverne und dass waren seine betrogenen alten Kameraden. Haben sie ihn erkannt? Jetzt da eine Gruppe sich ihm nähert wird er sichtlicher nervös.
6. Der Verfluchte
Eine abgerissene und in Lumpen gehüllte Gestalt sitzt am Hafen oder an einer der Straßen in die Stadt und fleht jeden Reisenden an, ihm eine Münze schenken zu dürfen. Die Münze ist verflucht und bewirkt, dass man in kürzester Zeit sein Hab und Gut verliert, selber zum Bettler wird und keine neuen Reichtümer anhäufen kann, bevor man die Münze nicht weitergeschenkt hat. Die Stadtbewohner wissen von dem Fluch, daher hofft der Verfluchte, dass ein Fremder auf das Angebot eingeht.
7. Die Weise
Die alte Bettlerin brabbelt den ganzen Tag kaum verständlichen Unsinn vor sich her. Doch wenn sie genug geladen hat, plaudert sie wie zufällig erstaunliche Weisheiten, Geheimnisse über wichtige Personen und Antworten auf wichtige Fragen aus. Es sind stets nur einzelne Sätze, deren Sinn zwischen all dem Gebrabbel schwer zu verstehen ist. Manchmal spendieren verzweifelte Personen der Alten stundenlang Getränke, in der Hoffnung, etwas Nützliches zu erhaschen.
8. Der Blinde
Der kahlköpfige ausgemergelte Mann trägt die Kluft eines Schreibers, seine dürren Finger huschen auf den Seiten eines mit eisernen Nieten beschlagenen Buches hin und her. Seine Augen sind blind, doch nicht die Art, wie sie die Alten oder Erkrankten haben, seine Blindheit scheint von etwas gekommen zu sein, was er besser nicht gesehen hätte. Wer ihm eine Münze gibt, dem „liest“ er einen Satz aus dem Buch vor, und man hat fast das Gefühl, das die blinden Augen einem bis ind die tiefsten Winkel der Seele blicken.
9. Das zeichnende Straßenkind
Das kleine hagere Mädchen hat noch nie jemanden sprechen gehört. Leuten die Mitleid zeigen und ihr ein Almosen überlassen, schenkt sie neben einem freundlichen Lächeln eine Kohlestrichzeichnung. Die Zeichnung zeigt stets das gleiche Motiv, nämlich ein abstraktes wirres Linienmuster. Bis heute hat noch niemand erkannt, dass es sich um eine Karte der Stadt handelt. Doch woher kennt Sie nicht nur Straßen und Wege sondern auch die Flure und Räume in allen Gebäuden?
10. Der Geschuppte
Einst war der Geschuppte ein Edelmann, der Schlangen zum Spaß quälte. Bis er an eine Feenschlange geriet, die ihn dazu verfluchte, als geschuppter Schlangenmann im Staub der Straße um Almosen zu betteln, und zwar bis zu jenem Zeitpunkt, an dem er 444 Goldstücke beisammen hat. Durch seine Lumpen schimmern geschuppte Beine, seine Finger mit den langen Nägeln gleichen Klauen und wenn er lispelnd die Passanten anspricht, kann man die gespaltene Zunge sehen.
11. Die Geflüchtete
Das Alter der Frau könnt ihr nicht genau bestimmen. Ihre helle Haut und ihre blauen, durchdringenden Augen zeugen davon, dass sie offensichtlich nicht von hier stammt. Einzig die Stickereien auf ihrem jetzt zerlumpten Mantels verraten ihre ehemals vornehmen Herkunft. Wenn ihr eine Münze übrig habt, erzählt sie euch vielleicht von der Flucht aus ihrer Heimat, ihren Verfolgern und den Racheplänen, die sie seitdem schmiedet. Es könnte sich lohnen, ihr dabei zu helfen, diese Pläne Wirklichkeit werden zu lassen…
12. Der Asket
Einfacher Mönch eines Bettelordens, der Bescheidenheit und Spiritualität predigt. Für seinen Segen verlangt er nicht mehr als eine Mahlzeit und viel Geduld, da dieser einen halben Tag in Anspruch nimmt. Götter, Karma, Schicksal, Zufall … wer ihn gut versorgt, dem soll es in gleichem Maße vergolten werden.