Wie ich Zufallsbegegnungen entwerfe

Autor: Jonas Boungard

Zufallsbegegnungen sind ein Kernbestandteil von Oldschool-Abenteuern und machen Dungeonerkundungen und Wildnisreisen noch spannender. Je länger die Abenteurer:innen sich an einem Ort befinden oder durch ein Gebiet reisen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit für eine Begegnung, die wiederum ein Risiko oder einen Verbrauch von Ressourcen mit sich bringt. Allerdings können Zufallsbegegnungen auch eine Informationsquelle darstellen, schließlich können sie in Oldschool-Rollenspielen dank Reaktionswürfen unter ganz unterschiedlichen Umständen verlaufen. Sie müssen mitnichten einen Kampf nach sich ziehen. Im Folgenden beschreibe ich, wie ich Tabellen mit Zufallsbegegnungen entwerfe, und gebe einige Tipps.

Fokussierung und Konsistenz

Ist die Zufallstabelle Teil eines Szenarios soll sie zusätzliche Interaktionen bieten und nicht vom eigentlichen Szenario wegführen. Daher sollten Ereignisse, Personen oder Orte, auf die in Zufallsbegegnungen verwiesen wird, bereits vorher eingeführte Elemente des Szenarios sein. Ist die Zufallstabelle hingegen Teil einer größeren Sandbox zum Beispiel eines Hexcrawls kann sie problemlos völlig neue Abenteueraufhänger bereitstellen.

Außerdem soll eine Zufallstabelle zur Ausrichtung des restlichen Szenarios bzw. der Sandbox passen. Das betrifft die Art der Herausforderungen und die Atmosphäre. Zwar können Zufallsbegegnungen eine willkommene Abwechslung zu den anderen Elementen bilden. Bei einem zu großen Bruch fühlen sie sich jedoch wie Fremdkörper an.

Schließlich soll eine Zufallstabelle in sich konsistent sein. Das heißt, alle aufgeführten Einträge sollen sich unmittelbar vor- und nacheinander abspielen können, ohne dass dies unglaubwürdig wirken würde.

Interaktion

Jede Zufallsbegegnung soll Interaktionsmöglichkeiten bieten, am besten mehrere und am besten Alternativen zu reinem Kampf. Wenn es sich um eine Kampfbegegnung handelt, kann diese über interessante Motivationen oder Bedingungen bereichert werden. Folgende beispielhafte Interaktionsmöglichkeiten sind denkbar:

  • Soziale Interaktion: Beruhigung, Bündnis, Einschüchterung, Tauschgeschäft, Verhandlung 
  • Rätsel: Deutung von Omen, Falle, Sprachbarriere, Traum, Vision
  • Kampf: Belagerung, Duell, Hinterhalt, Kampf zwischen drei Parteien
  • Weiteres: Heilung, Jagd, Spionage, Spurensuche, Verfolgung, Wetterphänomen

Wenn ich als Autor der Begegnung bereits zwei bis drei Ideen habe, wie die Charaktere mit der Begegnung umgehen, ist das toll, da die Spieler sicherlich noch weitere Herangehensweisen entwickeln werden. Die Spieler müssen aber Ansatzpunkte für die Interaktion haben. Das funktioniert am besten über ungewöhnliche Details oder den Bruch der Erwartungshaltung. 

Beispiel 1: 4 Soldaten halten inne und lassen ihre 2 Hunde an Kleidungsfetzen schnuppern.
Beispiel 2: Ein Trupp aus 10 Orks prozessiert mit Lampions durch den Wald und intoniert einen meditativen Gesang.

Die Interaktion und das Ausspielen der Zufallsbegegnung wird zusätzlich erleichtert, wenn die Tätigkeit der Wesen oder Ereignisse in der Umgebung explizit und aktiv formuliert werden. Dabei helfen ungewöhnliche und fokussierte Verben. Damit kann die Spielleitung in sehr wenigen Worten die Zufallsbegegnung eindeutig beschreiben.

Beispiel: patrouillieren statt gehen, schnüffeln statt untersuchen, ankeifen statt sprechen

Naheliegende Interaktionen bei gefährlich erscheinen Begegnungen sind Flucht, Umgehen und Verstecken. Würden die Spieler stets diese Optionen wählen, wäre das langweilig. Indem es ungefährliche Begegnungen gibt, die interessante Interaktionen bieten, steigt für die Spieler der Reiz, sich auf Begegnungen einzulassen. Außerdem können die Charaktere überrascht werden, ihr Flucht- oder Alternativweg kann abgeschnitten sein, oder ihre Tarnung funktioniert nicht gegen die Wahrnehmung der Wesen aus der Zufallsbegegnung. Letzteres sollte unbedingt für die Spieler nachvollziehbar sein, sonst fühlen sie sich gegängelt. Beispielsweise können Wesen über einen hervorragenden Geruchssinn verfügen, sodass das reine Verstecken nichts bringt.

Kompaktheit

Da Begegnungstabellen für den unmittelbaren Einsatz am Spieltisch geeignet sein sollen, müssen sie prägnant formuliert sein. Als Richtwert empfehle ein bis drei kurzen Sätze.

Beispiel: (5) 4 Goblins stolpern fluchend sich juckend durch die Gegend, da sie mit dem Gift von Riesenameisen besprüht wurden. Sie sind auf dem Weg zurück zu ihrem Stamm, um Verstärkung im Kampf gegen die Insekten zu holen.

In Zufallstabellen bietet es sich außerdem an, Stichpunkte statt ausformulierter Sätze zu nutzen. 

Beispiel: (5) 4 Goblins

  • stolpern, fluchen, jucken sich
  • kämpften gegen Riesenameisen
  • wurden von Gift getroffen
  • holen Verstärkung

Als weitere Gestaltungsmöglichkeit kann der eigentlichen Beschreibung der Name der Wesen der Begegnung vorangestellt werden. 

Beispiel: (5) 4 Goblins. Sie stolpern fluchend durch die Gegend, da sie mit dem Gift von Riesenameisen besprüht wurden. Sie sind auf dem Weg zurück zu ihrem Stamm, um Verstärkung im Kampf gegen die Insekten zu holen.

Zahlen sollten immer in Ziffern geschrieben werden. Das ist kompakter. 

Kreativität

Da eine Zufallstabelle aus vielen Einträgen besteht, ist es unmöglich, mit jedem Eintrag eine innovative Idee zu liefern. Dennoch sollen die Einträge so kreativ wie möglich sein. In Abwandlung an Frank Hellers Tipp zum Schreiben von Abenteuern „Nimmt nicht die erste, sondern die dritte Idee“, schlage ich folgende Vorgehensweise vor: Sammle so viele Ideen, wie es Tabelleneinträge gibt und verwerfe zwei Drittel. Sammle anschließend so viele neue Ideen, wie es freie Tabelleneinträge gibt und verwerfe die Hälfte. Sammle schließlich so viele neue Ideen, wie es freie Tabelleneinträge gibt, und nimm alle. Diese Vorgehensweise ist selbstverständlich nicht in Stein gemeißelt. Du musst sie nicht streng durchziehen, sondern kannst dich anderweitig zu ungewöhnlichen Ideen zwingen. Wenn dir eine Idee besonders wichtig ist, ignoriere den Aspekt der Kreativität und nimm die Idee auf. Falls die Zufallstabelle in einem Szenario auftaucht, das du professionell veröffentlichen willst, solltest du jedoch sicherstellen, dass die Idee nicht abgekupfert ist. Indem du die Tabelleneinträge enger mit den restlichen Elementen des Szenarios oder der konkreten Sandbox verknüpfst, stellst du sicher, dass sie einzigartig sind.